(Translation in German: Carmen Marcou)
Das ist die Geschichte einer Flasche, einer einfachen Flasche.
Eine Flasche, im Meer.
Diese hier könnte die Botin eines antiken Schiffsbruchs sein, dessen Geheimnis sie uns verraten könnte. Aber sie ist in Wirklichkeit nur gewöhnlicher Abfall, Plastik, ohne großen Wert, so meint man….Sie ist am Ende der Kette eines Prozesses, wurde geboren, benutzt und ist sofort zu Grunde gegangen. Sie hat den gewöhnlichen Weg all unseres Abfalls genommen: von einem Container in den anderen geworfen in Gesellschaft mit anderen Entrechteten. Eines Tages, auf den Umwegen eines Lebens, man hatte ihr ein 1000 Jahre langes Leben versprochen (Das ist doch die Lebenserwartung von Plastik!°) wurde sie erfasst von der Macht der Ozeane, von den Wellen hin und her geworfen, um endlich an einem seltsamen Ort zu enden, an dem so viele andere Objekte,Träger ganz ähnlicher Geschichten, sie unter der trügerischen Sonne empfangen haben. Hier ist sie und wird im Kontakt mit den Elementen des Meeres zerstört und verseucht nach und nach die Gewässer und Ökosysteme. Während sich ihre Substanz im Angriff der Wellen und Winde auflöst , erinnert sich die Flasche….
Und plötzlich sieht sie sich wieder in dieser Wohnung, in die man sie gebracht hatte und in der sie von Hand zu Hand ging in einer unerwarteten Brüderlichkeit, was sie einen kurzen aber unbeschreiblichen Taumel empfinden ließ. Sie war so stolz, das Ergebnis der Arbeit von Menschen zu sein, bereit , verbraucht zu werden. War sie nicht dafür hergestellt worden?! Ja, die Flasche erinnert sich an ihre Geburt in einem Unternehmen, als ob sie sich selbst mit dem Stolz der technischen Entwicklung brüsten könnte, die ihr erlaubte,den Komfort und das Wohlbefinden ihrer künftigen Nutzer zu gewährleisten und somit als Flasche selbst Teil des großen ökonomischen Abenteuers unserer Zeit zu sein.
Natürlich hat sie in dieser Hinsicht, obwohl selbst nicht Expertin, einige von einer Krise sprechen hören, von der Klimaerwärmung, von den Bedrohungen für die Umwelt, der Gefährdung des Lebens oder auch der Gesundheit. Aber all das erschien so weit entfernt, so abstrakt, angesichts der großen und schönen Maschine unserer Zeit, von der sie eine der Erbinnen war! War sie nicht das Spiegelbild unserer Beherrschung der Energie, ganz besonders der fossilen! Gab sie nicht der Ernte der Landwirtschaft eine Bedeutung,.. die sie als Privileg in sich enthalten hatte ,um als Ernährung zu dienen.?? So bescheiden sie war, so vergänglich, so kurzlebig war ihre Lebensdauer programmiert worden. Die Flasche erinnert sich an diese Konsumgesellschaft, der sie eine Zeit lang angehört hatte, die ihre Position in der Natur der Sache bestimmte, die sie sich so gut durchdacht und strukturiert vorgestellt hatte durch die Führungssysteme, zumindest soweit eine „Flasche“ sich das vorstellen kann. Eine Freundin hatte ihr sogar die Geschichte eines jungen Mannes erzählt, der motorische Probleme hatte und sein Handicap überwinden konnte, indem er mit seinen Freunden eine Zange entwarf und entwickelte, die sie dann in drei Dimensionen druckten, um ihm zu ermöglichen, Flaschen wie sie eine war, öffnen. Magisch!
« Flasche », was für ein Name ! Da ist sie nun und überlegt sich wie das Wort in den anderen Sprachen der Welt heißt. Ist das Wort männlich oder weiblich? Neutral vielleicht ? Bestimmte Sprachen, denkt sie für einen Moment zum ersten Mal, kennen das Wort vielleicht nicht oder haben es früher nicht gekannt… Das verunsichert sie ein wenig. Wie haben sie diese Lücke gefüllt ? Sie wird sich bewusst, dass ihre Bezeichnung ihr nicht nur Sinn und Form gegeben, sondern auch zu Ihrer Identität beigetragen hat… Hätte sie folglich ihren Platz in einem Wortschatz unserer Zeit ? Selbst verständlich ! denkt sie und bläht ihre Brust vor Stolz. Ist sie nicht in all ihrer Universalität ein herrlicher Orientierungspunkt der Gegenwart, der Vorankommen und Fortschritt verkörpert ?
Sieh mal, das ist seltsam, denn während man vom Fortschritt spricht, meint sie eine Drohne gesehen zu haben, die über den Ort fliegt, an dem sie sich befindet.. Eine Drohne, an diesem verlassenen Ort ? Zweifellos eine Illusion. Die Flasche sagt sich, dass sie das Opfer von Halluzinationen sein muss und nimmt immer wieder und schneller den Lauf ihrer sich im Kreise drehenden Überlegungen auf.
Wenn sie Bücher schreiben könnte, würde sie unermüdlich von den fremden Welten erzählen, die sie auf der Erde oder auf dem Meer durchquert hat, über Flüsse, Berge,durch Wälder und Städte. Mehr als einer wären sehr erstaunt, denn die Flasche hat viele Grenzen überschritten, viele Länder durchreist…sie hat viele frappierende Niveaus von Ungleichheit, von Reichtum festgestellt , aber auch die Mondialisierung des menschlichen Austauschs und der Kulturen, der Abfälle auf keinen Fall gleichgültig sind! Wer weiß, vielleicht könnte sie selbst helfen unsere Weltbilder zu analysieren,- Plastikflaschen haben so viele schlaue erfinderische Verwendungen gefunden, die das unerschöpfliche Talent ihrer Nutzer wecken und widerspiegeln!
Vor langer Zeit schon, als ihr Modell auf dem Schreibtisch des Ingenieurs gezeichnet wurde, in der Schönheit ihrer Formen, mit den perfekten schlanken Rundungen. Die Flasche hätte damals fast schwören können, dass sie die Welt erobern könnte. Die Zukunft gehörte ihr. Keinerlei Risiko kam ihr in den Sinn, jegliche Art von Katastrophe schien so entfernt, so unwahrscheinlich…und nun weiß sie heute, wie sehr anfällig und vergänglich sie ist, verurteilt, sich im Milieu des Meerwassers aufzulösen, so ungeeignet, darauf stolz zu sein ..Also fängt die Flasche an zu zweifeln. Hätte sie anders gelebt, wenn sie das früher gewusst hätte?
Hier ist sie und denkt an diesen anfälligen Planeten, als ob sie die wachsende Gefahr voraussehen könnte, die auf allen Objekten wie ihr lastet, sowie auf der Artenvielfalt, inklusive der ganzen Menschheit. Sie spürt es in sich, in jedem ihrer Moleküle, die sich auflösen, dass sie das Ergebnis einer Geschichte, einer Entwicklung und einer unvermeidlichen Infragestellung ist. Sie ist nur eine Flasche im Meer und fragt sich was wohl ihr letzter Aufschub sein könnte, was sie noch erreichen kann, um erfolgreich zu sein. Hat sie nicht ihren Vertrag erfüllt ohne Hoffnung auf Erneuerung? Wer kann das Ausmaß dieser seltsamen Situation begreifen und verstehen ?
Ja, die Flasche fühlt sich so verzweifelt allein. Sie würde gern der Welt mitteilen, was sie empfindet, an das Gewissen eines „wir“ appellieren, aufmerksam machen auf die größten Probleme der Gegenwart und die Dringlichkeit ihrer Lösung. Aber nichts ist weniger komplex für eine Flasche, die auf einem Kontinent zugrunde geht und stirbt, auf einem Kontinent, den es nicht gibt, noch nicht. Sicher werden künftige Generationen niemals von ihr sprechen hören…
Sie würde so viel dafür geben, um es zu verändern, um verstehen zu helfen, dass man vielleicht lernen muss auf gewisse Dinge zu verzichten, dass unsere Art der Erziehung zu Objekten, zu Lebewesen , zur Welt, neu gedacht werden muss. Aber als sie sich um sich herum umsieht, glaubt sie zu erraten, dass all dies nur eine Utopie ist. Die Utopie einer Flasche -Plastik- im Meer, die keinerlei Verantwortung wecken, noch die mindeste Intelligenz hervorrufen kann. Die Würfel sind gefallen, die Entscheidungen sind getroffen …Ist sie nicht gut platziert, um das zu bestätigen! Also sagt sich die Flasche, wenn es noch mal zu machen wäre..und unterbricht sich, weil sie weiß, dass man nicht zurück kommen kann. Sie sagt sich also, wenn es noch einmal gemacht werden könnte, müsste man ganz sicher die ganzen Verwicklungen und Folgen voraussehen, unter dem Aspekt einer besseren Teilung.
Plötzlich unterbricht sich die Flasche…Gegen alle Wahrscheinlichkeit wird sie von einer Hand ergriffen…ihr gelingt es nicht, das zu glauben,und dennoch, ohne Zweifel, spürt sie erneut die kommunikative Wärme, für die sie diese Welt geliebt hat. In einer plötzlichen Beschleunigung sieht sie den Film ihres Lebens wieder, die Zeichnungen des Ingenieurs, die Gestaltung, die Fabrik und dann die Abfüllungsfabrik, das Regal des Geschäfts, in dem sie gekauft wurde, die starken Freuden in der Wohnung, von der Kette der Aussonderung bis zu den Etappen des unsinnigen Weges, die sie eines Tages den weiten Ozean entdecken ließen!
Bald hört sie eine Stimme, die sie so lange nicht mehr wahrgenommen hat: „ Sieh mal, woher kommt die denn ?! „Unwahrscheinlich! Ein gutes Beispiel, nimm sie..“